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Eine Geburt auf dieser Scholle bedeutet die Geburt eines Kriegers.
Schwertmeister Istian Goss,
zu seinen Schülern
Die Djihad-Armee hatte geschworen, Honru den Denkmaschinen zu entreißen, ganz gleich, welchen Blutzoll es kosten sollte. Nach einem Jahrhundert des heiligen Krieges Serena Butlers hatten sich die Menschen an außerordentliche Opfergänge gewöhnt.
Quentin Butler, der Primero des Bataillons, stand auf der Kommandobrücke seines Flaggschiffs und betrachtete den von Omnius versklavten Planeten, der vor ihm im All schwebte. Im Angesicht des seelenlosen Gegners sprach er ein stummes Stoßgebet. Weil er vom Schlag eines derben Kriegshelden war, sah er älter aus als fünfundsechzig, obwohl er noch hellblondes Haar und wellige Locken hatte; die fein ausgeprägten Gesichtszüge – ein festes Kinn, schmale Lippen und eindringliche Augen – hätten nach einer klassischen Büste geformt worden sein können. Quentin befehligte die Offensive persönlich, beabsichtigte, die Djihadis hier am Ort einer der ersten, verheerendsten Niederlagen der Menschheit zum Sieg zu führen.
Vierhundert Ballista-Schlachtschiffe und über tausend Javelin-Zerstörer hatten um den Planeten, den einst, vor dem Honru-Massaker, freie Menschen bewohnt hatten, einen Ring drohender Vernichtung gezogen. Dieses Mal hatten die Denkmaschinen keinerlei Chance gegen Quentin und die Sache, der er sich verschworen hatte, ganz zu schweigen von der überwältigenden Feuerkraft, über die er verfügte.
In all den Jahren des Djihad hatten tapfere Menschenkrieger den Synchronisierten Welten kontinuierlich bedeutenden Schaden zugefügt, Roboter-Flotten zerstört und Maschinen-Vorposten eliminiert. Und dennoch hatte der Feind seine Streitkräfte ständig erneuert.
Der Primero, der Adrenalinschübe und den Nervenkitzel des Sieges gewohnt war, hatte während seiner langen militärischen Laufbahn schon zahlreiche heldenhafte Taten vollbracht. Viele Male hatte er siegreich inmitten der rauchenden Trümmer eines Schlachtfeldes gestanden. Dieses Triumphgefühls könnte er niemals überdrüssig werden.
»Omnius sollte einfach die Wahrscheinlichkeit berechnen und dann kurzerhand sämtliche Systeme abschalten«, sagte Faykan, Quentins ältester Sohn. »Das würde uns viel Zeit und Aufwand ersparen.« Faykan war noch hünenhafter als sein Vater und hatte Quentins gewellte Haare, aber von seiner Mutter Wandra die hohen Wangenknochen und hageren Gesichtszüge geerbt. Mit siebenunddreißig Jahren engagierte er sich voller Ehrgeiz sowohl im Militärdienst wie auch in der Liga-Politik.
Sein Bruder Rikov, der ebenfalls auf der Kommandobrücke des Flaggschiffs stand, schnaufte unwillig. »Sollte uns der Sieg so leicht zufallen, wäre er ja kaum eine anschließende Siegesfeier wert. Eine echte Herausforderung wäre mir lieber.« Rikov war nicht nur sieben Jahre jünger als sein Bruder, sondern auch einen Kopf kleiner, hatte breitere Schultern und ein kantigeres Kinn. Die vollen Lippen deuteten auf seine Harkonnen-Abkunft hin, doch kein Zeitgenosse wäre auf die Idee gekommen, ihn an diese Peinlichkeit zu erinnern.
»Ich gebe mich mit jedem Sieg zufrieden, der uns der Vernichtung der Maschinendämonen einen Schritt näher bringt.« Quentin drehte sich um und musterte die beiden kampflustigen Männer. »Meine Söhne werden noch genug Ruhm ernten können ... und ein bisschen bleibt auch für mich übrig.«
Wegen der Folgen, die Abulurds Geburt für Wandra gehabt hatte, vermied er es häufig – allerdings unbewusst –, seinen Jüngsten zu erwähnen. Er dachte jedes Mal an seine geliebte Ehefrau, bevor er in die Schlacht zog. In einem Alter, in dem Frauen nur noch selten Kinder bekamen, war Wandra unbeabsichtigt schwanger geworden, und durch die komplizierte Entbindung hatte er sie verloren. In seiner Trauer hatte Quentin das neue Kind missachtet und seine komatöse Frau in den Frieden und die Abgeschiedenheit der Stadt der Introspektion gebracht, wo ihr ihre verehrte Tante Serena so viel Zeit der Kontemplation gewidmet hatte. Noch immer gab er Abulurd die Schuld an Wandras Verlust, denn obwohl ihm sein Gewissen sagte, dass er Abulurd Unrecht tat, wollte sein Herz es nicht glauben ...
»Wollen wir Honru nur anstarren?«, fragte Rikov flapsig. Er wartete bereits am Ausgang. »Oder gehen wir endlich ans Werk?«
Die Unterkommandeure des Bataillons machten detaillierte Angaben zur Situation und meldeten die volle Bereitschaft zum Großangriff. Auf dem Planeten musste der Omnius-Allgeist das Verhängnis inzwischen erkannt haben. Ohne Zweifel hatten die Verteidigungssysteme und Kampfroboter den Einflug der Djihad-Flotte geortet, doch gegen dermaßen überlegene Streitkräfte blieben die Denkmaschinen machtlos. Für sie war das Desaster unabwendbar.
Quentin erhob sich aus dem Kommandosessel und lächelte geduldig über seinen eifrigen Sohn. Die Grundzüge des Schlachtplans waren in einem Kommandozentrum des fernen Zimia entwickelt worden, aber im Krieg konnte sich noch im letzten Moment alles ändern. »Wir schicken in zwei gesonderten Wellen fünfhundert Kindjal-Kampfjäger hinunter. Jeder trägt eine Ladung Störpuls-Bomben. Die schweren Atomwaffen setzen wir nur im äußersten Notfall ein. An erster Stelle ist ein Präzisionsschlag gegen den Allgeist-Nexus vorgesehen. Dann können Bodentruppen die Nebenstationen knacken. Uns stehen genügend Söldnereinheiten von Ginaz zur Verfügung.«
»Jawohl, Sir«, antworteten beide Männer.
»Faykan, du befehligst die erste, und du, Rikov, die zweite Welle. Ein paar hoch angesetzte Detonationen von Puls-Atomsprengkörpern dürften den Gelschaltkreis-Gehirnen hinlänglich zu schaffen machen, ohne die menschliche Population zu schädigen. Die Maschinen werden in beträchtlichem Umfang gelähmt, sodass die Bodentruppen ihnen den Rest geben können. Noch heute werden Honrus Bewohner frei sein.«
»Falls noch welche leben«, gab Rikov zu bedenken. »Seit der Besetzung Honrus durch die Maschinen sind fast neunzig Jahre vergangen.«
Faykans Miene zeigte grimmige Härte. »Falls Omnius sie alle getötet hat, haben wir umso mehr Grund zur Vergeltung. Dann hätte zumindest ich keine Vorbehalte, den Planeten durch ein atomares Bombardement in Schlacke zu verwandeln, so wie die Armada es mit der Erde gemacht hat.«
»Ob so oder so«, sagte Quentin, »die Stunde des Handelns ist gekommen.«
Der Primero faltete die Hände vor dem Gesicht zu der Geste, die halb Gebetsgebärde, halb militärischer Gruß war. Die Djihad-Kommandeure praktizierten sie seit der Ermordung Serena Butlers vor über fünfzig Jahren. Obwohl Quentin eigentlich mit seinen Söhnen sprach, wurde die Unterhaltung an das gesamte Bataillon übertragen – nicht nur zu Anfeuerungszwecken, sondern als Ausdruck seiner tatsächlichen Überzeugung. »Das Honru-Massaker war eines der finstersten Ereignisse der Anfangsgeschichte des Djihad. Heute werden wir das Blatt wenden und der Geschichte einen anderen Verlauf geben.«
Faykan und Rikov stiegen hinab aufs Hauptstartdeck des Flaggschiffs, um dort die Führung der beiden Kindjal-Angriffswellen zu übernehmen. Quentin Butler, der absolutes Vertrauen zu seinen Söhnen hatte, blieb auf der Kommandobrücke, um den Ablauf des Angriffs zu überwachen. Er betrachtete den üppig wirkenden Planeten auf dem Bildschirm, sah braun-grüne Kontinente, weiße Wolkenschwaden und dunkelblaue Flächen ausgedehnter Meere.
Zweifellos hatte Omnius' Unterwerfung des Planeten die Landschaft innerhalb der vergangenen neunzig Jahre drastisch verändert, Honrus schöne Wälder und Wiesen in einen industriellen Albtraum verwandelt. Versklavte Überlebende mussten den rücksichtslosen Denkmaschinen zwangsweise zu Diensten sein. Quentin ballte die Fäuste, flehte mit einem stillen Stoßgebet um Kraft. Mit hinreichend Zeit konnten solche Verwüstungen behoben werden. Der erste Schritt musste darin bestehen, den Planeten wieder unter die Herrschaft der Menschen zu bringen, das Honru-Massaker zu rächen ...
Schon fünf Jahre, nachdem Serena Butler den Großen Djihad ausgerufen hatte, war durch eine Flotte von Liga-Kriegsschiffen versucht worden, die Synchronisierte Welt Honru zu befreien. Auf Drängen des Großen Patriarchen Ginjo hatte die gut bewaffnete Flotte voller Begeisterung Honru angeflogen. Doch niederträchtige Agenten der Denkmaschinen hatten die Verantwortlichen über die Stärke der um Honru versammelten feindlichen Streitmacht getäuscht.
Zehntausend Omnius-Raumschiffe hatten im Hinterhalt gelauert und die Liga-Flotte umzingelt. Die Djihad-Soldaten hatten mit verzweifelten Kampfmaßnahmen reagiert, doch die Djihad-Schlachtschiffe wurden schon im Orbit von Kamikaze-Roboterschiffen vernichtet. Auf Honrus Oberfläche waren die Bewohner vieler Orte, die auf Befreiung gehofft hatten, von Kampfroboter-Einheiten liquidiert worden.
Die beabsichtigte Befreiung Honrus hatte als vollkommener Fehlschlag geendet, war zu einem Gemetzel ausgeartet, dem kein einziges Liga-Kriegsschiff entkommen war. Neben den ungezählten Verlusten, die der Menschheit auf Honrus Oberfläche zugefügt wurden, kamen in dieser einen Schlacht über fünfhunderttausend Liga-Soldaten ums Leben.
Dieser Vergeltungsschlag ist längst überfällig, dachte Quentin.
»Kindjal-Geschwader sind gestartet, Primero«, meldete sein Lieutenant.
»Bodentruppen auf schnellen Vormarsch vorbereiten. Alles muss reibungslos ablaufen. Die Truppentransporter müssen unter dem Feuerschutz der Javelin-Zerstörer landen.« Quentin gestattete sich ein nüchternes, aber zuversichtliches Lächeln.
Fünfhundert Kindjal-Jäger schossen aus ihren Ballista-Mutterschiffen. Unterdessen sammelte sich Honrus Roboter-Flotte. Vom Planeten starteten Einheiten in den Orbit, andere Raumschiffe jagten von Außenposten am Rande des Sonnensystems heran.
»Gefechtsbereitschaft herstellen«, lautete Quentins nächster Befehl. »Alle Holtzman-Schilde aktivieren, sobald die Roboterschiffe Schussweite erreichen, keinen Augenblick früher.«
»Jawohl, Primero. Wir warten ab.«
Quentin war zuversichtlich, dass seine Flotte die Roboter-Kriegsschiffe abweisen konnte, sodass er seine Aufmerksamkeit hauptsächlich den Aktivitäten seiner Söhne widmete. Faykan und Rikov hatten die Kindjal-Geschwader unter sich aufgeteilt, und jeder befehligte seine Einheiten nach einem Operationsmuster eigenen Stils. Diese gemischte Taktik hatte sich in früheren Kampfhandlungen als überaus wirksam erwiesen. Heute sollten die längst berühmten Butler-Brüder der Liste ihrer Siege einen weiteren Triumph hinzufügen.
Quentin verspürte einen Stich in der Brust, als er sich wünschte, Wandra könnte jetzt ihre Jungen sehen. In ihrem Zustand nahm sie jedoch nicht mehr zur Kenntnis, was rings um sie geschah ...
Vor achtzehn Jahren hatten Quentins zwei ältere Söhne Tränen über seine Wangen strömen gesehen, als sie ihre Mutter in der Stadt der Introspektion zurückgelassen hatten. Das war eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, bei denen der Kriegsheld der Liga menschliche Schwäche gezeigt hatte.
»Egal wohin wir uns wenden, Vater«, hatte Faykan gesagt, »überall sehen wir zu viel Kummer.«
Aber Quentin hatte den Kopf geschüttelt. »Das sind keine Tränen des Leids oder der Trauer, mein Sohn.« Er hatte die beiden jungen Männer umarmt. »Es sind Tränen des Glücks über all das, was eure Mutter mir gegeben hat.«
Quentin hatte Wandra nie im Stich gelassen. Er besuchte sie jedes Mal, wenn er sich auf Salusa aufhielt, weil er in seinem Herzen die Gewissheit hegte, dass Wandra sich noch an ihn erinnerte. Wenn er ihren Pulsschlag und ihr Herz pochen fühlte, spürte er, dass es ihre Liebe war, die ihr Leben bewahrte. Während er weiter im Djihad kämpfte, widmete er jeden seiner Siege ihrem Andenken.
Nun hob er den Kopf, als erste aufgeregte Meldungen von Honru eintrafen, Funksprüche von Faykans und Rikovs Kindjal-Jägern, die auf Maschinen-Bastionen hinabstießen und sie mit einem Hagel von Puls-Bomben überschütteten, die Schübe destruktiver Holtzman-Energie abgaben.
»Alle Störsysteme sind eingesetzt, Primero«, meldete Faykan. »Die Hauptstadt ist reif für die zweite Phase.«
Quentin lächelte. Im Orbit kam es zu ersten Scharmützeln zwischen Djihad-Kriegsschiffen und Roboter-Raumschiffen, die, solange sich die Holtzman-Schilde nicht überhitzten, eher ein Ärgernis als eine echte Bedrohung waren.
Er gruppierte seine Truppen um. »Javelin-Zerstörer gehen auf Abwärtskurs in die Atmosphäre. Gesamte Artillerie vorbereiten zum Höhenbombardement. Die Stoßtrupps von Ginaz sollen mit Pulsschwertern in die Hauptstadt eindringen. Ich erwarte, dass der Maschinenwiderstand vollständig gebrochen wird.«
Seine Unterkommandeure bestätigten den Erhalt des Befehls, und der Primero lehnte sich im Kommandosessel zurück, während die riesigen Liga-Kriegsschiffe auf Honru zuhielten, um den Sieg zu vollenden.
Quentin Butlers gepanzerter Wagen wälzte sich durch den Schutt der Maschinen-Hauptstadt und beförderte den siegreichen Oberkommandierenden. Sein Blick schweifte über die Verwüstungen, und er beklagte stumm die Verunstaltung eines einst so wundervollen Planeten. In einer früher landwirtschaftlich genutzten Gegend hatten sich Fabriken und andere Industrieanlagen ausgebreitet.
In den Straßen liefen befreite menschliche Sklaven benommen umher, suchten Unterschlupf, flohen aus Quartieren, verließen Zwangsarbeitsplätze, an denen Wachroboter standen, die durch das Puls-Bombardement lahm gelegt worden waren.
Quentin fühlte sich an die Befreiung Parmentiers erinnert, die ihm am Anfang seiner militärischen Laufbahn gelungen war. Auf diesem Planeten hatte die leidgeprüfte Bevölkerung zunächst gar nicht an die völlig Zerschlagung der Maschinendiktatur glauben können. Heute jedoch, in den Jahren des Aufschwungs, nachdem er das zeitweilige Gouverneursamt des wiedereroberten Planeten an Rikov abgetreten hatte, verehrten Parmentiers Bewohner Quentin und die Butler-Brüder als Heilsbringer.
Aber die Überlebenden von Honru jubelten und lärmten nicht, anders als Quentin es erwartet hatte; vielmehr erweckten sie den Eindruck, völlig perplex zu sein. Sie wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten.
Gruppen scharfäugiger Söldner und Schwertmeister hasteten in die letzten Gefechtszonen. Ihre Unabhängigkeit verhinderte, dass sie jemals zu gut organisierten militärischen Verbänden zusammengeschlossen werden konnten, doch gaben die Söldner tüchtige Einzelkämpfer und erstklassige Stoßtrupps ab. Sie zerstörten jeden noch funktionsfähigen Roboter.
Die ungeschützten Arbeits- und Wachroboter, die der Allgeist als entbehrlich einstufte, waren durch das einleitende Puls-Bombardement außer Betrieb gesetzt worden. Jetzt allerdings griffen Kampfmeks ein und leisteten, obwohl sie eindeutig Anzeichen der Beeinträchtigung und Desorientierung zeigten, hartnäckig Gegenwehr. Die flinken und gefährlichen Söldner schwangen ihre Pulsschwerter und rangen die Gegner nacheinander nieder.
Aus seinem Befehlsfahrzeug, das durch die Trümmer holperte, konnte Quentin die befestigte Zitadelle sehen, durch die Omnius den Kontakt zur Stadt aufrechterhielt. Um zu diesem Hauptziel des Großangriffs vorzustoßen, kämpften die Söldner von Ginaz wie ein Wirbelwind und rückten der Zitadelle ungeachtet jeder Gefahr immer näher.
Quentin seufzte auf. Wenn er nur mehr solche Männer vor fünfzehn Jahren während der zweiten Abwehrschlacht um Ix gehabt hätte, wären den Kämpfen nicht so viele Soldaten und Zivilisten zum Opfer gefallen. Getreu dem Schwur, dass Omnius keine Welt, die von der Djihad-Armee befreit worden war, ein zweites Mal einnehmen sollte, hatte Quentin die Maschinen-Offensive um einen furchtbaren, aber unvermeidbaren Blutzoll zurückgeschlagen. Er selbst hatte in einem unterirdischen, durch Einsturz entstandenen Hohlraum festgesessen, war lebendig begraben gewesen, ehe man ihn gerettet hatte ... Die damalige Schlacht hatte seinen Ruf als Held gefestigt und ihm mehr Ehrungen eingebracht, als er zu würdigen wusste.
Nun erschien ein weiterer Haufen zerlumpter Menschen auf dem Schauplatz des Geschehens, während die Söldner Honrus Hauptstadt stürmten. Überrascht sah er, dass diese Leute Fahnen trugen, die sie aus Tüchern, Farbe und sonstigen Materialien, die in der Stadt greifbar waren, hastig hergestellt hatten. Sie sangen und jubelten, riefen den Namen der Märtyrerin Serena Butler. Obwohl sie kaum wirksame Waffen hatten, warfen sie sich todesmutig ins Gefecht.
Von seinem Befehlsfahrzeug aus hielt Quentin sie unter Beobachtung. Märtyrer-Jüngern war er schon früher begegnet.
Offenbar hatten sogar hier auf Honru die versklavten und unterdrückten Menschen im Flüsterton die Namen der Priesterin des Djihad, ihres ermordeten Kindes sowie des ersten Großen Patriarchen ausgesprochen. Aktuelle Nachrichten waren vermutlich durch neue Gefangene von kürzlich eroberten Liga-Welten zu ihnen gelangt. In der Knechtschaft hatten sie insgeheim zu den Drei Märtyrern gebetet und darauf gehofft, dass Engel vom Himmel herabstiegen und Omnius zerschmetterten. Auf Unverbündeten Planeten, freien Liga-Welten und selbst unter Omnius' Despotie – überall schworen die Menschen, sich für die große Sache der Menschheit zu opfern, so wie es Serena, Manion der Unschuldige und Iblis Ginjo getan hatten.
Schwungvoll drangen die Märtyer-Jünger vor, stürzten sich auf die restlichen Maschinen, zerschlugen gelähmte Arbeitsdrohnen oder legten sich sogar mit Kampfmeks an. Nach Quentins überschlägiger Schätzung starben für jeden Roboter, den sie zerstörten, fünf Fanatiker, aber sie ließen sich dadurch nicht beirren. Der Primero hatte nur eine Möglichkeit, ihnen noch mehr Verluste zu ersparen, nämlich die Schlacht schleunigst siegreich zu beenden; und dazu musste Omnius in der zentralen Zitadelle bezwungen werden.
Falls alles nichts half, blieb Quentin nur noch die Option, über der Hauptstadt starke Puls-Atomwaffen zu zünden. Durch diese Sprengkörper würde die Zitadelle augenblicklich pulverisiert und den Denkmaschinen die Kontrolle über Honru entrissen werden ... allerdings kämen auch die menschlichen Bewohner der Hauptstadt zu Tode. Um einen solchen Preis wollte Quentin keinen Sieg erringen. Jedenfalls nicht, solange er noch andere Alternativen hatte.
Nach Abschluss der Kindjal-Einsätze fanden sich Rikov und Faykan im Befehlsfahrzeug ihres Vaters ein und erstatteten ihm Meldung. Als sie die Märtyrer-Jünger gesehen hatten, waren die Butler-Brüder zur gleichen Schlussfolgerung gelangt. »Wir müssen ein Spezialkommando hineinschicken, Vater«, sagte Rikov, »und zwar unverzüglich.«
»Auf dem Schlachtfeld bin ich nicht dein Vater, sondern dein Primero«, stellte Quentin klar. »Also hast du mich als solchen anzureden.«
»Jawohl, Sir.«
»Trotzdem hat er Recht«, sagte Faykan. »Bitte um Erlaubnis, mit einer Gruppe Söldner einen Vorstoß direkt in die Zitadelle durchzuführen. Wir nehmen Sprengstoff mit und jagen den Allgeist in die Luft.«
»Nein, Faykan. Du bist jetzt ein befehlshabender Offizier und kein draufgängerischer Soldat mehr. Überlass derartige Abenteuer deinen Untergebenen.«
»Dann möchte ich die Söldner auswählen, Sir«, ergriff Rikov wieder das Wort. »Ich führe sie selbst an, und innerhalb einer Stunde fällt die Zitadelle.«
Quentin schüttelte den Kopf. »Die Söldner kennen ihre Aufgabe und verstehen ihr Handwerk.«
Kaum war diese Antwort über die Lippen des Primero gekommen, dröhnte eine gewaltige Explosion durch die entfernteren Stadtviertel. Ein blendend greller Blitz schoss aus der Allgeist-Zitadelle, die zu Staub zerbarst, und die Schockwelle fegte in wachsendem Umkreis auch die benachbarten Gebäude nieder. Nach der Detonation sank die riesige Qualm- und Staubwolke langsam in sich zusammen. Von der Allgeist-Festung blieb nicht das kleinste Stück Schrott übrig.
Gleich darauf erschien der Anführer der Söldner von Ginaz vor dem Befehlsfahrzeug. »Das Übel ist ausgemerzt, Primero.«
Quentin grinste. »So ist es.« Er ergriff Faykan und Rikov an den Händen und streckte sie in einer Gebärde des Triumphs in die Höhe. »Wir krönen den Tag mit einem glänzenden Erfolg und erneuten Teilsieg über Omnius.«